„Diversity“ ist in aller Munde: Es gibt kaum mehr Unternehmen, die nicht akzeptiert haben, dass Teams mit diversen Hintergründen schlicht die bessere Arbeit leisten, effizienter sein können und krea- tivere Lösungen bringen. Doch blickt man auf die tatsächliche Lage, besonders in technischen Be- rufsfeldern, ist von Diversity oft nicht mehr viel zu sehen. Woran das liegt, mag man sich fragen – sind doch In- terviewer_innen oft angewiesen, sich von Sachargumenten der Eignung für den Job leiten zu lassen und nicht nach persönlichem Gutdünken und „aus dem Bauch heraus“ zu entscheiden! Gerade hier, im „Bauchgefühl“, findet sich jedoch die Antwort: im „Unconscious Bias“, also der unbewussten Voreingenommen- heit, die wir alle mit uns tragen. 26 Die Wirksamkeit dieses Bias ist wis- senschaftlich bereits gut belegt. Stu- dien zeigen, dass etwa identische CVs mit unterschiedlich klingenden Namen mehr oder weniger oft eine Antwort bekommen, dass auch ein unterschiedliches Alter oder Gender die Anzahl der Rückantworten signi- fikant beeinflussen. Noch klarer tritt der Effekt direkt im Bewerbungsge- spräch auf: sind wir Menschen doch darauf geschult, unser Gegenüber nach einer Vielzahl von Kriterien zu bewerten und einzuordnen, etwa als attraktiv, sympathisch, umgänglich, aufmerksam oder intelligent. Hier tendieren wir dazu, diejenigen Ge- sprächspartner_innen positiver zu be- werten, die unserer Vorstellung von uns selbst am ehesten entsprechen; je größer der kulturelle, Gender- oder Altersunterschied etwa ist, desto eher nehmen wir einen kritischen Stand- punkt ein. Diesem Problem entgegenzuwirken, ist Ziel des Forschungsprojektes „DEBIAS“ des Centre for Informa- tics and Society in Kooperation mit dem TU Career Center. Gemeinsam suchen wir Antworten auf die Frage, wie wir durch Technologien der An- onymisierung dem Unconscious Bias entgegenwirken und ein faires Be- werbungsgespräch gestalten können, ohne die für dieses Gespräch wichti- gen persönlichen Einschätzungen zu sehr zu beeinträchtigen. Um diese Gratwanderung zu bewältigen, füh- ren wir intensive Interviews mit Be- werber_innen und Interviewer_innen, entwickeln technische Lösungen und testen diese im Rahmen des diesjähri- gen Voice of Diversity-Projekts ‚live’ an der TU Wien. Hierbei ist die Ein- bindung der betroffenen Stakeholder ganz besonders wichtig: sind doch Bewerber_innen und Interviewer_in- nen die Expert_innen dafür, welche technologische Lösung funktioniert und welche nicht. Daher wird in die- sem Projekt auch mittels „partizipati- vem Design“ entwickelt, getestet und evaluiert: mit Partner_innen, Wissen- schaftler_innen und Betroffenen ge- meinsam. T P E Z N O K y t i s r e v i D f o e c i o V 27 Das CENTRE FOR INFORMATICS AND SOCIETY ist ein interdisziplinäres Forschungszentrum an der TU Wien, welches breitgefächerte Themen im Spannungsfeld zwischen Informatik und Ge- sellschaft untersucht und die aktive Entwicklung sozio-technischer Lösungen für diese Bereiche vor- antreibt. Florian Cech forscht und lehrt im Bereich Critical Algorithm Studies und beschäftigt sich be- sonders mit Fragen von Bias & Diskriminierung, Transparenz und Accountability im Kontext der digitalen Transformation der Gesellschaft. Foto: Hayley Green, C!S 2019