Um diese Mengen zu bewältigen, benötigen wir neue Formen, wie Daten gespeichert, verarbeitet und transportiert werden. Wir haben in den nächsten Jahren sehr viel zu tun in diesem Bereich, und ich finde es sehr aufregend, als Wissenschaftle- rin an vorderster Front zu stehen. Einerseits entwickle ich die Methoden, solche aufwendigen Algorithmen energieeffizienter zu machen, andererseits sorge ich dafür, in der breiten Öffent- lichkeit ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Heute weiß jeder: Der CO2-Ausstoß unserer Autos ist schlecht, Plastik ist schlecht, Kiwis, die aus Neuseeland eingeflogen werden, sind schlecht, aber dass ein paar „binge-watching“ Sessions auf Netflix so viel CO2 erzeugen wie eine Autofahrt Wien–St.Pölten – das wissen die wenigsten ... Was sind die Herausforderungen? Bewusstsein zu schaffen ist das Wichtigste, der Rest kommt dann von alleine. Gut sichtbar ist das bei den Fridays for Future, hier wurde schon einiges ins Rollen gebracht. Ich frage mich aber oft, ob Jugendliche, die bei den Fridays for Future demons- trieren, freiwillig auf ihre Smartphones verzichten würden, wenn sie nur wüssten, dass diese niedlichen Smartphones in der Regel Umweltverschmutzer sind ... Die Digitalisierung wird langfristige Effekte haben, die wir aber erst in 20, 30 Jahren spüren werden. Wir können warten, bis dann die Probleme da sind, oder wir begleiten schon jetzt die Prozesse so, dass die Ressourcen mög- lichst effizient genutzt werden. Wie kann der CO2-Fußabdruck im Arbeitsalltag verkleinert werden? Es ist heikel, im IT-Bereich die Verantwortung auf den Endbenut- zer abzuwälzen. Ja, sicher, man kann weniger Netflix schauen, kein Smartphone benutzen etc. Der Effekt ist aber verschwin- dend gering, verglichen mit dem CO2-Fußabdruck der Unter- nehmen, die für ihre IT „braune“ Energie nutzen. Natürlich kann jeder etwas tun, aber der große Wurf gelingt nur mithilfe poli- tischer Maßnahmen. Warum sollten IT-Konzerne grünen Strom nutzen, wenn der eventuell genauso viel kostet wie der braune, oder sogar noch mehr? R E G N A H c N A B R U Was bedeutet das für den Arbeitsmarkt bzw. wo sind die Urban Changer, bei denen unsere TU-Studierenden die Zukunft mitgestalten können? Bei jedem, der „out of the box“ denkt und nach neuen Wegen sucht, Probleme der Gegenwart zu lösen. Auf jeden Fall wird man aber in Zukunft mehr Informatikerinnen und Informatiker brauchen. Aber auch hier wird es neue Aufgabengebiete geben und werden neue Berufsprofile entstehen, von denen wir heute noch nichts wissen. Ein Studium an der TU Wien ist schon eine gute Basis. Aber das Wichtigste ist, ein Gebiet zu finden, für das man sich wirklich begeistern, Leidenschaft entwickeln und dran bleiben kann! Ausdauer ist eine der wichtigsten Eigenschaften. Rückschläge gibt es immer wieder in jedem Beruf, wer früh lernt, damit konstruktiv umzugehen, hat gute Chancen auf Erfolg. Was würden Sie unseren TU-Studentinnen raten? Wie war das bei Ihnen und warum haben Sie sich für dieses Studium entschieden? Es gibt ein gutes Sprichwort: „Wenn du Gott zum Lachen brin- gen willst, dann erzähle ihm von deinen Lebensplänen.“ Ich wollte ursprünglich Ärztin werden, dann ist es aber die Wirt- schaftsinformatik geworden. Der Weg in die Technik war für mich eine sehr pragmatische Entscheidung. Ich kam in den 90ern als Flüchtlingskind nach Österreich und habe relativ rasch begriffen, dass das Gymnasium aufgrund meiner fehlenden Deutsch- und Englischkenntnisse für mich nicht zugänglich war. Aber ich wusste schon früh, dass meine Stärken im Technischen/Mathematischen liegen, und so habe ich mich für die HTL Nachrichtentechnik entschieden. Diese Liebe zur Technik blieb. Vor allem wollte ich mehr über das Pro- grammieren wissen, auch im Zusammenhang mit Unternehmen und der Gesellschaft. Das war der Grundstein für meinen Weg in die Wirtschaftsinformatik. Während des Studiums gibt es tolle und nicht so tolle Phasen (wie überall im Leben), geschenkt wird einem nichts. Man braucht es nicht zu beschönigen, Studium ist harte Arbeit (mit hoffentlich viel Spaß). Bildet Netzwerke, Lerngruppen, das hilft, wenn man sieht, dass es anderen genauso geht oder wenn man sich gegenseitig hilft. Ich hätte es nicht gedacht, aber die Möglichkeiten nach einem Studium sind wirklich sehr vielfältig. Wenn ich an meine StudentInnen denke: Die haben jetzt eigene Firmen, leiten Forschungsabteilungen von großen Unterneh- men oder sind Chef-Verhandler bei der EU-Erweiterung. Die Möglichkeiten sind wirklich vielfältig. Für Frauen speziell: Sucht euch ein Role Model. Ich bin auf der Uni gelandet, weil wir damals eine tolle, kompetente und charismatische Assistentin in der Übung hatten (Anmerkung: Damals gab es keine weiblichen Professoren an der Informatik.) – und ich dachte mir, was sie kann, kann ich wahrscheinlich auch. Wie sieht Ihr persönlicher ökologischer Fußabdruck aus? Ich fahre öffentlich, wo es geht, bzw. mit dem Fahrrad, kaufe lokale und regionale Produkte. Bei der Kleidung bin ich auch sehr kritisch und achte auf die Produzenten. All das kann ich mir leisten, weil ich in Österreich lebe und generell viel Wahlfreiheit habe. Menschen, die täglich ums Überleben kämpfen, haben diese Freiheiten nicht. Umso mehr kommt hier die politische Verantwortung ins Spiel. Ich fliege leider oft, weil ich es muss und es in der wissenschaftlichen Community die Norm ist. Aber durch meine Forschung helfe ich der Allgemeinheit, den CO2-Fußabdruck zu senken, indem wir neue Algorithmen entwi- ckeln – das gleicht sich dann wieder aus, denke ich. Und wenn ich mal binge-watche, dann habe ich ein richtig schlechtes Gewissen – aber das passiert zum Glück selten. 21