ARBEITSMARKT sie schlecht sind, sondern weil die Unternehmenskultur sie nicht unterstützt. Man muss zunächst einmal die Menschen davon überzeugen, dass eine Strategie gut ist. Viele Men- schen haben Angst vor Veränderung, deshalb ist die Arbeit an der kulturellen Basis und der Mentalität der Menschen so wichtig. Als ich 2000/2001 ans Ruder kam, war das Unter- nehmen knapp vor der Insolvenz. Ich habe alles umgedreht, es wurden Prozesse und Strukturen verändert, um den Menschen zu zeigen, dass man mit den Arbeitsmethoden aus der Vergangenheit in der Zukunft keinen Erfolg haben wird. Damals war die Begleitung der Menschen wesentlich, mit ihnen zu reden und durch das Unternehmen zu gehen, hat mich die Hälfte meiner Zeit beschäftigt. Wie würden Sie selbst Ihren Führungsstil beschreiben? Was ist Ihnen wichtig? Für mich ist Respekt etwas ganz Essenzielles. Respekt hat mit Hierarchie nichts zu tun, Respekt ist etwas Zwischen- menschliches. Ich lege Wert auf Offenheit und Vertrauen, hier spreche ich von Vorschuss-Vertrauen und meine damit, dass sich niemand Vertrauen erarbeiten muss, sondern sie oder er hat das Vertrauen, so lange, bis es enttäuscht wird – das ist der umgekehrte Ansatz. Mir ist auch möglichst gro- ßer Freiraum für Menschen wichtig und gutes Benehmen. Wenn Sie Menschen zum ersten Mal begegnen, wie stel- len Sie fest, ob bestimmte Kompetenzen, wie beispiels- weise Respekt, vorhanden sind? Indem man mit dem Menschen diskutiert und bestimmte Fragen stellt. Da hört man gleich, ob jemand grundsätzlich wertschätzend ist oder nicht, und Sie merken sofort, ob der oder die andere für etwas eine Passion hat. Denn Passion ist wirklich wichtig, ohne geht es nicht. Ihnen wird u. a. auch die Eigenschaft „Durchhaltevermö- gen“ attestiert. Wenn einem so eine Kompetenz vielleicht nicht mitgegeben wurde, wie kann man sie entwickeln? Ich weiß es nicht, irgendwie ist sie mir mitgegeben wor- den. So wie mir mitgegeben wurde, dass ich keinen Jetlag habe. Vielleicht ist es angeboren, aber es ist sicher auch sozialisiert. Wenn Ihnen in Ihrer Jugend immer gesagt wird: „Du kannst nichts“ oder auf der anderen Seite: „Du bist ein Superstar“, obwohl Sie das nicht sind, dann werden Sie entweder depressiv oder überheblich. Das ist in meiner Erziehung nie passiert, mir hat man immer gesagt: „Auf Ererbtes braucht man nicht stolz sein. Das hat man nicht selber verdient. Du kannst nur durch deine Leistung und deine Humanität zeigen, dass du fähig bist!“ Sie haben erzählt, dass es nicht immer leicht für Sie war, weil Sie sehr jung eingestiegen sind. Gab es Situationen, in denen Sie aus Misserfolgen gelernt haben? Wenn ich so zurückblicke, gibt es schon einige Dinge, bei denen ich im jugendlichen Überschwang gravierende 16 MEINJOB SS 2019 Fehler bei Investments gemacht habe. Im Nachhinein hätte ich das mit mehr Fingerspitzengefühl lösen können. Wobei ich nach wie vor jemand bin, der am Ende nicht aufgrund eines Spreadsheets, sondern aufgrund seiner Empfindung entscheidet, denn es gibt viele Komponenten, die nicht quantifizierbar sind. Ich hätte sicher die Hälfte meiner Feh- ler mit etwas mehr Genauigkeit und Konsequenz verhin- dern können. Gibt es jemanden, den Sie sich als Vorbild genommen haben? Ich habe kein Vorbild, aber es gibt viele Menschen, die ich in ganz bestimmten Bereichen bewundere. Es gab einen Aufsichtsratsvorsitzenden, der leider schon verstorben ist, von dem ich sehr viel gelernt habe. Unter anderem hat er mir gesagt: „Um erfolgreich zu sein, bedarf es der 4 H: das Herz zum Fühlen, das Hirn zum Denken, die Hand zum Arbeiten und – das muss man leider jetzt so sagen – den Hintern zum Durchhalten.“ Er hat mich immer wieder auf meine Fehler hingewiesen, aber in einer Form, in der ich es auch annehmen konnte. Es gibt heute natürlich auch Menschen in dieser Organi- sation, auf die ich wirklich höre. Mein Finanzkollege Franz Semmernegg, zum Beispiel, war ein Glücksgriff, der mit mir durch dick und dünn gegangen ist, das hat uns wirklich zusammengeschweißt. Und natürlich habe ich ein super Team, über die ganze Welt verstreut, von dem ich mich auch beraten lasse. Das Führungsteam der Kapsch Traffic- Com besteht nur mehr zu einem geringen Teil aus Öster- reicherinnen und Österreichern, der Großteil kommt aus Spanien, Nordamerika, Australien, Südamerika oder auch Frankreich. Sie sagten, ein Teil der Erfolgsgeschichte basiere auch darauf, dass Sie sich heute mit Ihren Geschwistern so gut verstehen. Geht man sich nicht manchmal trotzdem auf die Nerven nach so vielen Jahren? Wir sitzen alle hier am Standort, in unterschiedlichen Gebäuden. Früher saßen wir fast Tür an Tür, das war ange- nehmer, weil man rüberging und fragte: „Wie geht’s? Gibt’s was Neues?“ Jetzt greift man zum Telefonhörer, das ist natürlich nicht so wie der unmittelbare persönliche Kontakt. Aber nein, wir gehen uns nicht auf die Nerven! Natürlich gibt es da und dort verschiedene Meinungen und ja, mein Bruder hat schon einmal zu mir gesagt: „Du bist ein Diktator!“ Dabei gebe ich schon in vielen Punkten nach. Bevor ich lange streite, denke ich mir: Soll so sein, auch wenn ich ganz anderer Meinung bin. Aber es gibt Dinge, die mir ganz wesentlich sind, bei denen sage ich auch: „Das ist nicht verhandelbar und da gibt’s keine Mehrheitsent- scheidungen, ich will das so!“ Das gebe ich zu.