Digitale Individualisten

09.07.2018

Für Jugend- und Trendforscher Bernhard Heinzlmaier, Geschäftsführer der tfactory, braucht es künftig intuitive Entscheidungen sowie ein Commitment zu permanenter Veränderung.

Foto: Georg Wilke

Welche aktuellen Trends und Herausforderungen erkennen Sie für Studierende beim Berufseinstieg im technischen Bereich? Welche Skills sind künftig besonders gefragt?

Wir leben in einer Erfolgsgesellschaft. In einer solchen geht es neben der Leistungserbringung in einem ebensolchen Ausmaß um den Leistungsverkauf. Zudem ist es auch die immer größer werdende Konkurrenz, die im Zuge der stetigen Steigerung der Akademiker_innenquoten entsteht, die die Bedeutung der sogenannten „Soft Skills“ zunehmen lässt.

Der oder die erfolgreiche Studierende der Zukunft muss sich also um die eigenen „performativen“ Fähigkeiten, über die eigene Selbstdarstellungskompetenz den Kopf zerbrechen. Das Rennen um die Top-Jobs werden jene machen, die kultiviert, humanistisch gebildet und sichtbar gepflegt sind. Es geht um die Demonstration der Sorge um das ästhetische Selbst. Wir müssen unsere kulturellen, sozialen und ästhetischen Vorzüge kultivieren und ausspielen, wenn wir an die Spitze wollen.

Was können Unternehmen tun, um explizit für Studierende und die technischen Mitarbeiter_innen von morgen interessant zu sein?

Es gibt zwei Faktoren, die eine überragende Rolle spielen. Das sind materielle Vorteile und die Bezugnahme auf das gesteigerte Bedürfnis nach Anerkennung. Der oder die Studierende unserer Zeit ist überwiegend materialistisch-narzisstisch. Er oder sie möchte wertgeschätzt und bewundert werden und will den eigenen Status durch Statussymbole demonstrativ inszenieren. Sprechen Studierende über die „Work-Life-Balance“, dann nur, weil sie glauben, dass ein solcher Wert, wird er demonstriert, Anerkennungsvorteile bringt. Humanistische und ideelle Werte werden primär dazu benutzt, um die materiell-narzisstische Persönlichkeit zu kaschieren. Will man also für leistungsstarke Warrior anziehend sein, die durchsetzungsfähig, nachhaltig engagiert und erfolgsorientiert sind, ist zu empfehlen, offen mit dem Anerkennungsvorteil einer „starken Marke“ – Red Bull, Google etc. – und einem leistungsorientierten Prämiensystem, das die Leistungsstärksten belohnt, zu werben.

Die Digitalisierung stößt diverse gesellschaftliche wie auch ökonomische Veränderungen an. Welche Entwicklungen werden Arbeitgeber_innen wie auch Arbeitnehmer_innen in Zukunft herausfordern?

Die Digitalisierung führt zur Beschleunigung aller Prozesse. Wir müssen in Zukunft schnell sein, beim Selektieren unserer Chancen und Möglichkeiten, bei der Beurteilung von Situationen, bei der Entscheidung zwischen unterschiedlichen Handlungsoptionen. Dies bedeutet, dass wir bei der Personalwahl auf schnell denkende, flexible und entscheidungsfreudige Charaktere abstellen müssen. Zudem brauchen wir Mitarbeiter_innen, die auch gewillt sind, Risken auf sich zu nehmen. Wer zu lange abwägt, bevor er eine Entscheidung trifft, wird vom
Konkurrenten überholt. Wir brauchen also Menschen, die nicht nur rational, sondern auch intuitiv entscheiden und dabei ein glückliches Köpfchen haben. Zusammengefasst: Die Digitalisierung verlangt nach dem Typus des „digitalen Individualisten“, einem Menschen, der schnell denkt, der Ideologien ablehnt, der über ein flexibles Wertesystem verfügt und der die Veränderung mehr liebt als die Kontinuität. Denn das Wesen des Digitalen ist die permanente Veränderung, die Diskontinuität, die Überraschung, das Abenteuer des Unbeständigen.

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